Bis Gras über die Sache gewachsen ist
Vergängliche Kunst hat ihren eigenen Reiz, auch weil sie eben nicht für jeden zugänglich ist. Man muss da schon zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Vergängliche Kunst – die schafft auch der Künstler Ralf Witthaus. In seinem neusten Projekt widmet er sich dem Park des Schlosses Benrath in Düsseldorf.
„In Deinem Spiegel“, so heißt das Werk, welches zurzeit in die den Spiegelteich umlaufende Rasenfläche gemäht wird. Ja, genau richtig gelesen. Denn Ralf Witthaus ist der wohl einzig existierende Rasenmäherkünstler und mäht seine Kunst ins Gras. Die dabei entstehenden Rasenmäherzeichnungen sind stets einmalig und immer ortsspezifisch. Bereits lange vor Beginn eines jeden Projekts setzt er sich ausführlich mit der Örtlichkeit, der Anlage oder dem Umfeld auseinander und spinnt dann speziell für diesen Ort seine Ideen. Dabei können eindrucksvolle Muster, genauso wie Gegenstände oder architektonisch anmutende Zeichnungen entstehen. Oder etwa auch Schriftzeichen, bzw. ganze Textbänder, so wie zum aktuellen Zeitpunkt im Schlosspark in Benrath.
Mit „In Deinem Spiegel“ nimmt Witthaus konkret Bezug auf die Geschichte des Schlosses und des Parks. Denn nach der Errichtung des Barockschloss unter dem Kurfürsten Karl Theodor in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, war es schon so gut wie vorherbestimmt, dass der Kurfürst niemals in Benrath residieren würde. Ganz zum Missfallen der Düsseldorfer. Als es schließlich dazu kam, dass der Kurfürst im Jahre 1777 das der Erbe des Kurfürstentums Bayern antrat, verlegte er tatsächlich nicht nur seine Residenz nach München, sondern mit ihm verließ auch die schon zum damaligen Zeitpunkt bekannte Düsseldorfer Kunstsammlung die heutige Landeshauptstadt. Heute ist genau jene Kunstsammlung als Grundstock der Sammlungen der Pinakotheken bekannt. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Düsseldorfer sich nach der imposanten ehemaligen Kunstsammlung sehnen. “Ich Dein liebendes Gefolge, hängt voller Wonne an den Nägeln Deiner Bilder.“, ist beispielsweise auf dem Rasen zu lesen, um hier nur einen kleinen Einblick in das Schriftband zu geben, welches aktuell in das Gras gezeichnet wird. Witthaus greift mit seinem Werk „In Deinem Spiegel“ die Lyrik eines tatsächlich existierenden Briefes des Düsseldorfer Volkes an ihren Kurfürsten auf und setzt den Text inhaltlich punktgenau und überspitzt in einen neuen Kontext. Doch auch auf weitere Aspekte in Bezug auf das Schloss und die Umgebung geht der Künstler ein, die bei einem schönen Spaziergang auf dem knapp 2 km langen Rundweg um den Spiegelteich abgeh-, les- und erlebbar sind.
Aber längst ist nicht nur die fertige Rasenmäherzeichnung einen Besuch wert. Denn bereits die Vorbereitungen und die Ausführung der Zeichnung sind sehenswert und beeindrucken immer wieder die teilweise verdutzten Besucher des Schlossparks. Schon manch einer mag sich beim Umrunden des Spiegelteiches gewundert haben, dass festlich gekleidete Mäherinnen und Mäher mit Motorsensen und Haken ausgestattet die Rasenfläche so akribisch und nach Vorlage bearbeiten. Denn schwarze Hosen und ein weißes Hemd, bzw. eine weiße Bluse gehören schlichtweg zum Arbeitsoutfit für Witthaus und seine ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Denn Kunst soll Spaß machen und der Entstehungsprozess sein feierlicher Akt sein – so auch die Arbeiten für die Rasenmäherzeichnungen.
Wer den Künstler bei der Arbeit über die Schulter schauen will, muss sich sputen. Bis Ende nächster Woche will er das Projekt „In Deinem Spiegel“ abgeschlossen haben. Und auch das entstehende Kunstwerk wird nicht dauerhaft zu sehen sein. So ist das nun mal mit der Kunst auf Zeit. Also, nicht allzu lange warten, denn sonst ist wieder Gras über die Sache gewachsen!
Rasenmäherzeichnung rund um den Spiegelteich
Text und Fotos von Carolin Ayasse