Eine Woche Zeit, um ein Museum der Zeit zu gründen: „Es werde Licht!“

Es werde Licht! Nachdem wir alle den gestrigen Tag mit dröhnenden Köpfen und einer stillen Befürchtung der völligen Ausuferung beschlossen hatten, verlassen wir am heutigen Mittwoch erstaunlich schnell die wissenschaftlich-analytische Ebene.

Als Einstieg in den Tag zeigt uns Prof. Dr. Peter Lynen ein besonders pfiffiges Mitmach-Objekt aus einem Katalog von Rosemarie Trockel: Mitten im Katalog wurde eine der Seiten mit einer Art Kunststoff beschichtet, der sich abziehen und beliebig formen lässt. Dieser Gegenstand ist es schließlich, der uns einen „Quantensprung“ in eine praktisch motivierte Diskussion rund um Umsetzung, Zielgruppen, Vision etc. machen lässt.

Es werden nun konkretere Umsetzungsformen diskutiert, wie z. B. das Konzept der quality time als Gegenpart zur Arbeitszeit. Ideen werden geäußert, ob das Museum der Zeit nicht Objekte zeigen sollte, die entstehen und wieder vergehen als Gegenkonzept zum Web, das nie vergisst. Wir überlegen, ob ein Medienwechsel aus der Virtualität ins Analoge sinnvoll und notwendig ist und wie die vergangene Realität festgehalten werden könnte. Dabei fällt uns auf, dass z. B. ein Film immer eine subjektive Perspektive des Filmenden einnimmt und damit niemals die Realität objektiv abbilden kann. Eine weitere hitzige Debatte entsteht rund um den Begriff „Museum“: Kann dieses geplante Konstrukt ein Museum sein? Zumindest entspricht es nicht allen vom International Council of Museums formulierten Museumsstandards des Sammelns, Bewahrens, Forschens, Präsentierens und Vermittelns: Allein die Objekte, die wieder vergehen, widersprechen dem Grundsatz des Bewahrens. Auf der anderen Seite steht für einige von uns fest, dass wir gerade mit know time das Thema Museum NEU denken wollen und keinesfalls ein weiteres  klassisches Museum mit seinen Kernaufgaben und seiner dogmatischen Deutungshoheit gebären möchten – oder ?

Vor dem Mittagessen steht eine Paar-Übung auf dem Plan: Zu zweit machen wir einen einstündigen Spaziergang ans Meer und sprechen bei strahlendem Sonnenschein über eine mögliche Vision für das Museum der Zeit unter dem Schirm der folgenden Fragestellung: Was muss passiert sein, dass ich 2020 sage, know time ist erfolgreich? Für Rolf Kloss und mich sind zwei Faktoren entscheidend für den Erfolg von know time: Auf der einen Seite die Reichweite und Relevanz für potenzielle Besucher, auf der anderen Seite mögliche Träger bzw. Sponsoren. Das Museum der Zeit richtet sich zwar an jeden Menschen, dennoch filtern wir Schulkinder als wichtige Zielgruppe gesondert heraus: Über eine Verankerung des Museums der Zeit im Curriculum könnte man ein Forum für das Thema schaffen, jungen Nachwuchs und damit essentielle Multiplikatoren an das Thema heranführen und natürlich Sponsoren überzeugen.

Beim Mittagessen im herrlichen Garten und einer spannenden Führung durch das Gut lassen wir uns die Köpfe durchpusten und nehmen uns die Zeit, das Thema “Zeit” mal für zwei Stunden beiseite zu legen, um danach wieder gestärkt ans Werk zu gehen.

Bei einer anschließenden Gruppendiskussion kommen zum Thema Vision verschiedene Schlagworte auf: „Emotionalität provozieren“, „Menschen auf das Phänomen Zeit neugierig machen bzw. begeistern“ und „Einfallstor für Zeit“. Erste Ideen für einen Claim und ein Mission Statement entstehen, es formen sich zwei Lager hinsichtlich des Umgangs mit Zielgruppen und und und… Dr. Peter Bell und Dr. Lisa Dieckmann stellen eine Art Google Earth als Visualisierungsansatz für know time vor: Neben einer Informationsschiene könnten auch biographische Zeiterfahrungen via crowd sourcing integriert werden. Dabei könnte das subjektive Empfinden eines Zeitphänomens die vorgegebene Deutung ablösen: Vielleicht war der Mauerfall für Person A persönlich nicht wichtig, dagegen war es aber der 11. September. Diese Visualisierung ermöglicht eine neue Sichtweise auf Zeitphänomene.

Am Ende des Abends sind wir zwar ebenso erschöpft wie gestern, dennoch sehen wir alle ein Licht am Ende des Tunnels, das vermeintliche Chaos von gestern gibt nach, es entstehen Kontouren und erste Strukturen. Schauen wir, was die Zeit morgen bringt.

Ein Text von Barbara Wolf, culturebrands.de TAG 2 /Museum der Zeit