Eine Woche Zeit, um ein Museum zu gründen: „Die Sache kommt ins Rollen.“

Eine Woche Zeit, um ein Museum zu gründen: „Die Sache kommt ins Rollen.“

Wir starten in den Tag mit einem Einblick in unterschiedliche digitale best practice Beispiele und schauen uns z. B. Augmented Reality an. Diese computergestützte Technik macht Unsichtbares über die Kamera eines mobilen Devices sichtbar und erweitert im wortwörtlichen Sinn die Realität um eine weitere Ebene. Insbesondere für Museen ist dieses Tool sehr gut nutzbar, denn zerstörte Werke, fehlende Werkteile, Vorskizzen zu Gemälden können sehr gut rekonstruiert und für Besucher wieder sichtbar und erlebbar gemacht werden – eine tolle Möglichkeit, die Spuren der Zeit zu zeigen oder eben auch zu überwinden.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den klassischen Audioguide durch personalisierte digitale Führungen zu ersetzen: Indem der Besucher ein Werk mit seiner Smartphone-Kamera fokussiert, erscheint die erweitere Realität in Form eines Guides, der Sachverhalte lebendig und anschaulich erklärt. Oder es können Kunstwerke um weitere spielerische Kontexte erweitert werden, wie im  Nationalmuseum in Krakau, wo Besucher über Augmented Reality Spielszenen in hisotrischen Kostümen vor thematisch verwandten Gemälden aufrufen konnten. Video bei Youtube

Dr. Peter Bell stellt uns Geoglyph, ein Geocaching Game, das über GPS-basierte Informationen die Spieler auf eine Art Schnitzeljagd schickt. Julia Jochem stellt die gerade frisch gelaunchte Website des ZKM vor, die als Besonderheit zwei Zugänge bietet: Diejenigen, die gezielt auf der Suche nach Informationen sind, können den „strukturierten“ Zugang über ein klassisches Menü nehmen und sich von dort aus zu ihrem Ziel navigieren. Diejenigen, die einfach nur ein wenig herumbrowsen möchten und sich inspirieren möchten, haben die Möglichkeit, den „inhaltlichen“ Zugang zu wählen. Dieser besteht aus einer zufälligen und ständig wechselnden Abfolge von Abbildungen, die auf ein bestimmtes Thema verweisen.

Nach dieser Runde sind die Köpfe wieder so heiß gelaufen, dass wir alle erst einmal eine kurze Auszeit nehmen: Prof. Dr. Peter Lynen, Julia Jochem und ich erkunden die Umgebung von Siggen mit dem Fahrrad und kommen zu dem Fazit, dass wir in Urlaubsmission wiederkommen wollen.

Am Nachmittag steht mit dem Thema „Zielgruppen“ eine der wichtigsten Fragen im Fokus: In kleinen Gruppen zeichnen wir jeweils einen sehr konkreten potentiellen Besucher von know time und es entstehen spannende und erstaunlicherweise sehr heterogene Typen dabei. Meine Gruppe hat Global-Max aus der Taufe gehoben: Der 27jährige Berliner studiert Kommunikationsdesign, spielt Bass in einer Country-Band und ist ein „Hippster in Disguise“.

Max ist in bürgerlichen Verhältnissen groß geworden und legt insgeheim Wert auf materielle Dinge, hat sich jedoch ein Image des ärmlichen Kreativen zugelegt. Er ist extrem vernetzt und ist ständig unterwegs, hat jedoch keine wirklich engen Freunde – sein Beziehungsstatus kann als on- und off bezeichnet werden – und befindet sich in einer Selbstfindungsphase. Seine Motivation, das Museum der Zeit zu besuchen, besteht in erster Linie darin, sich selbst mittels Partizipation darzustellen und kreativen Input ebenso wie neue, internationale (und weibliche) Kontakte zu erzielen.

Die anderen Gruppen erschaffen die 67-jährige alleinlebende Traudel auf der Suche nach Schnittmustern für barocke Karnevalskostüme, Anna, eine alleinerziehende selbständige Physiotherapeutin, die Entspannung sucht und den 16-jährigen Peter, der aus seiner Orientierungslosigkeit heraus in ein Game eintauchen will, wo er eine neue Lebenswirklichkeit erleben kann.

Diese unterschiedlichen Typen sind zwar sehr scharf gezeichnet, erlauben es uns jedoch sehr präzise Aussagen über Motive für den Museumsbesuch und damit letztendlich über die notwendigen Inhalte und tatsächlichen Umsetzungen zu treffen. Somit nähern wir uns schrittweise immer mehr an das Museum der Zeit an und es fällt allmählich der Anspruch der Vollständigkeit und der Druck der Ausuferung von uns ab.

Das Museum der Zeit: Wir sehen ein immer helleres Licht am Ende des Tunnels – oder ist das nur trügerisch und es ist in Wirklichkeit ein Zug, der uns entgegenkommt? Die Zeit morgen wird es zeigen.

Ein Text von Barbara Wolf, culturebrands.de TAG 3 /Museum der Zeit